Nachrichten & Pressemitteilungen - Nachrichten zu EIS (Employment Injury Scheme)

Mosammad Bulbuli vor ihrem Haus

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Tag der Menschenrechte: Arbeitsunfallversicherung als grundlegendes Recht im Textilsektor Bangladeschs

Am 10. Dezember 1948 verkündeten die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, doch selbst nach 75 Jahren werden weltweit immer noch Menschenrechte verletzt. Besonders im Bekleidungssektor Bangladeschs bleibt die Durchsetzung des Rechts auf einen sicheren Arbeitsplatz eine Herausforderung. Aus diesem Grund unterstützt FEMNET ein wegweisendes Pilotprojekt der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), das die Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen durch die Einführung einer Arbeitsunfallversicherung verbessern soll.

Im April 2013 begräbt das Rana Plaza Fabrikgebäude in Bangladesch tausende Arbeiter*innen unter sich. Bereits Tage zuvor waren strukturelle Mängel am Gebäude erkennbar, denen das Fabrikmanagement jedoch nicht nachging. Ein schwerwiegender Fehler, der 1.135 Arbeiter*innen das Leben kostete und 2.438 zum Teil schwer verletzte. Viele von ihnen leiden noch heute unter den körperlichen und psychischen Folgen des Unglücks.

Das Accord Abkommen zur Gebäudesicherheit

Die Sicherheit in den Fabriken hat sich in den letzten zehn Jahren durch das noch 2013 eingeführte Abkommen für Brandschutz und Gebäudesicherheit, dem Accord, nachweislich verbessert. Trotz erhöhter Sicherheitsvorkehrungen, wie dem Einbau von Brandschutztüren, oder der Verstärkung von tragenden Wänden oder Säulen, lassen sich Unfälle nicht vollends verhindern, denn auch im Produktionsalltag sind Arbeiter*innen Gefährdungen ausgesetzt, beispielsweise bei der Handhabung von Maschinen, Bauarbeiten innerhalb der Fabrik oder Unfällen im Lager. Neben den physischen und psychischen Langzeitfolgen droht den Betroffenen der finanzielle Ruin.

"Ich kann nicht mehr sitzen, noch kann ich arbeiten..."

Mosammad Bulbuli, eine Überlebende und ehemalige Näherin von Rana Plaza, berichtet: „Ich kann nicht mehr sitzen, noch kann ich arbeiten oder irgendetwas anderes machen. Ich kann nicht mehr vor einem Hochhaus stehen. Ich bekomme Angst, wenn ich daran denke in so einem Gebäude zu arbeiten."

 

 

Fehlende Kompensationszahlungen und Unfallversicherung

So wie Mosammad Bulbuli ergeht es dutzenden Frauen: Sie fühlen sich im Stich gelassen und warten bis heute auf weitere finanzielle Unterstützung. "Meine Forderung lautet, eine Entschädigung zu erhalten, die für unseren Lebensunterhalt das ganze Jahr über ausreichen wird. Die Entschädigung sollte entsprechend meines Verdienstes sein, wenn ich bis zum Alter von 60 Jahren arbeiten würde.", erklärt Gita Rani, die seit dem Einsturz des Rana Plaza Gebäudes ihren linken Arm nicht mehr bewegen kann. Auch gemäß internationaler Mindeststandards wie dem ILO-Übereinkommen 121 zu Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sollten Kompensationsleistungen abhängig vom Einkommen und in monatlichen Raten als Ausgleich zum Einkommensverlust gezahlt werden.

Arbeitsschutz als grundlegendes Menschenrecht

Laut Artikel 25 der UN-Erklärung hat jede*r das Recht auf Sicherheit im Falle von Krankheit und Invalidität und auch in den Kernarbeitsnormen der ILO ist Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit verankert. Laut dem ILO-Übereinkommen 121 haben Arbeiter*innen oder Hinterbliebene das Recht auf Leistungen bei (teilweiser) Arbeitsunfähigkeit als Resultat von Arbeitsunfällen. Bangladesch hat das Übereinkommen jedoch leider bisher nicht ratifiziert. Für Arbeiter*innen und ihre Angehörigen gab es daher bislang im Falle von Arbeitsunfähigkeit oder eines Todesfalls keine absichernden Mechanismen zum Ausgleich des Einkommensverlustes, wie z.B. monatliche Kompensationszahlungen. Derzeitige Entschädigungszahlungen bestehen lediglich aus einmaligen Pauschalbeträgen. Gleichzeitig wird vielen Arbeiter*innen durch bürokratische Prozesse und lange Wartelisten bei der Antragsstellung der Zugang erschwert. Wie schnell den Familien geholfen wird, ist häufig abhängig von der Hilfsbereitschaft der Arbeitgeber*innen.

Ein notwendiger Schritt: Das EIS-Pilotprojekt

Zwar hat der Accord, auch Dank der vehementen Forderungen der Zivilgesellschaft, wichtige Ziele im Bereich der Vorsorge und Unfallvermeidung erreichen können, die Nachsorge im Fall von Unfällen wird aber weiterhin nicht entsprechend den grundlegenden Menschenrechtsstandards gewährt. Aufgrund dieser Missstände wurde 2021 das Pilotvorhaben EIS (Employment Injury Scheme) ins Leben gerufen. Bekleidungsarbeiter*innen, die einen Arbeitsunfall erleiden, erhalten monatliche Zahlungen, die sie und ihre Familien vor Armut schützen. Der Fonds wird durch internationale Marken, wie C&A, H&M, Primark, Tchibo, Kik und Puma, finanziert. Das Projekt soll den Weg zu einer nachhaltigen arbeitgeberfinanzierten Unfallversicherung in Bangladesch ebnen und somit Bekleidungsarbeiter*innen und ihre Familien vor Armut infolge von Arbeitsunfällen, die zum Tod oder zu dauerhafter Behinderung führen, schützen.

Um die Erfolge des Piloten zu sichern, fordern wir eine zügige Überführung des Mechanismus in einen einklagbaren Rechtsanspruch bis 2027. Modemarken, die in Bangladesch einkaufen, sollten die Möglichkeit nutzen, durch den EIS-Piloten eine nachhaltige Initiative zu unterstützen und somit sicherzustellen, dass die Würde und Rechte der Menschen, die unsere Kleidung herstellen, nicht nur an besonderen Gedenktagen, sondern kontinuierlich respektiert und geschützt werden.

Das Projekt wird gefördert über das Shurokkha Projekt.

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